Wasser

Verse für die Phlegmatiker, denen man Wasser, Winter, Nacht, Baby- und Greisenalter zuordnet.
Die beschreibenden und erzählenden Gedichte.
Von der Naturlyrik bis zu allen Längenvarianten der Ballade.

Sollte Ihnen ein hier eingereihtes Gedicht eher den anderen Kategorien Erde, Luft oder Feuer entsprechen, bitte ich, mir eine Nachricht über www.hirnpoma.de zukommen zu lassen!

Santiago de Cuba & das zweitausenddreiundneunzigste Gedicht

in der Altstadt von Santiago de Cuba

Santiago de Cuba (von der Rooftopbar betrachtet)

Santiago klingt wie ein Verbrechername,
Nach 'nem Schurken mit reinem Gewissen.
Der verkneift sich die Schimpfwörter vor einer Dame -
Die Manieren nicht vollends verschlissen
Und im Innern die Sehnsucht nach schöngeist'gem Leben,
Nach Porch, Poesie und Pompon,
Im Schoß eines Lichts, das sich müht zu vergeben,
Wenn Läuterung bricht den Kokon.

Der Schwitzkasten früherer Notwendigkeiten
Verrohte gewöhnlich den Ton.
Mag Santiago auch niemand zum Tisch mehr geleiten,
Versöhnt man sich mit seinem Sohn.

Weitsee & das zweitausendneunzigste Gedicht

Am Weitsee zwischen Reit im Winkl und Ruhpolding

Was Paradiesvögel singen

In den Randbezirken von Paradiesen
Läuft man barfüßig über den Schnee,
Man kikerikit reine Lautexpertisen
Und tränkt mit Daiquiri den Klee.

Ich weiß, Spatz, du wirst dies als gestrig schelten -
Du schätzt Freiheit alleine aus Not.
Hier schält sich die Regel vom Zwang frei, zu gelten -
Und du hast hier Redeverbot!

Trinidad & das zweitausendsiebenundachtzigste Gedicht

Blick auf den Plaza Mayor von Trinidad

Trinidad (ich muss dich lassen)

Es prägt das Städtchen Trinidad
Der maximal mögliche Sättigungsgrad
Eines Ortes bezüglich Musik
(und das macht man auch zügig publik).

So tönt im Städtchen Trinidad
Ein scheinbar unbändiger Band-Apparat
Sein Guantamemuchachandante
(und improvisiert durchs Bekannte).

Man lässt das Städtchen Trinidad
Nie, wie man's zu Beginn betrat,
Da das Wippen im Fuß sich noch hält
(selbst wenn längst wieder Schneeregen fällt).

Nachmieter & das zweitausendsiebenundsiebzigste Gedicht

Einer der von neuen Mietern genutzten Stadtpaläste Havannas

Havannas Paläste in der Wiederverwertung

Es ist, scheint's, die Gerechtigkeit
Nicht sehr erpicht auf stilgerecht.
Zunächst vergeht doch sehr viel Zeit,
Dann muss es schnell geh'n - oft wird's schlecht.

Man schaut auf alter Prachts Verfall
Als das, was wir erstritten -
Verwittert mit im Abgasschwall
Längst ausrangierter Schlitten.

Man restauriert ein Überall
In stets zu kleinen Schritten
Und überhört den Widerhall,
Wie hart man einst gelitten.

Bewerten wir Gerechtigkeit
Bisweilen etwas ungerecht -
So, weil halt Optik sehr laut schreit,
Wenn man zu viel an Schönheit blecht.

El Cubano Nationalpark & das zweitausendsechsundsiebzigste Gedicht

Lichtspiel im El Cubano Nationalpark

Ripostegedicht auf das Gedicht "Zusammenkunft. Ostasiatischer Zirkel" von Ai Qing

Zusammenkunft in Reimen

Hier ein Grüppchen, da 'ne Gruppe,
Hier Gelaber, dort 'ne Fluppe,
Erst'res um sich selbst rotierend,
Letztere ward selbst gedreht,
Multilingual parlierend,
Da man sich auch stumm versteht.
Da Dispute sich erhitzen -
Wütend aufsteh'n ... wieder sitzen.

Und wie von Sehnsucht angefacht,
Entflammen Wut und Glut die Reden
Und jed' Wort, das miterwacht
Schürt; erzürnt und rührt hier jeden.
Um diesen vibrierenden Brutkasten schließt
Jene leblose Stadt ihren Rahmen
Im Regen, der kühl sich ans Fenster ergießt -
Sie bemüßigt sich nicht fremder Dramen,
Die heiß zu verfechten, ein Grüppchen erfrecht sich
In Paris, rue Saint-Jaques, in dem Haus 61.

Camagüey & das zweitausendvierundsiebzigste Gedicht

Die Plaza de San Juan de Dios in Camagüey

Plaza de San Juan de Dios

Der Platz schwitzt aus dem Pflaster: "Alles fertig zur siesta!"
Fast übernimmt die Nostalgie das Maß für dich, mein Bester!
Bloß billigt jeder Wohnungsschacht ein sehr bejetztes vida,
Bezirzt mit letztenbehrtem Ton durch stolzbewährte Lieder.
Die sol spielt eine Rhumba an, verschickt ihre Kassiber -
Drauf rührst du dir den Rum ins Eis und schlürfst Genuss, mein Lieber!

Valle de los Ingenios & das zweitausendeinundsiebzigste Gedicht

Ruinas de Ingenio San Isidro de los Destiladeros im Valle de los Ingenios bei Trinidad

Unabhängigkeit

Wir ruhen auf dem Fundament
Aus "Momentan nicht lieferbar!",
So lange jemand einen kennt,
Wo alles noch viel schiefer war.

Die neue Folter heißt Geduld,
Der Sklavenhalter Zeit.
Die Strenge ölt das Lehrerpult
Und preist Genügsamkeit.

Ein Einspruch schreit hier mannigfach,
Sobald ihn wer benennt.
Doch fehlt auch alle Kraft zum Dach -
Es bleibt: ein Fundament.

Alle Rechte bei Christian Jobst, der das Gedicht im Rahmen der Kubafestival-Spendenaktion von mir gekauft hat.

Viñales Downtown & das zweitausendachtundsechzigste Gedicht

Abend stimmung am Ortsausgang von Vinales

Viñales

Im Spalier des Schaukelstuhls
Liest man per Blick die Predigt,
Das Licht taucht in die Blütenpools.

Es stellt das Dorf in Einigkeit
Die Uhr'n auf Feierabendzeit,
Und alles ist erledigt.

All in one & das zweitausendsiebenundsechzigste Gedicht

Kleines Riesenrad im All in one Center von Varadero

Diesig

Einsam schweigt sich Farbe aus
In Klage übers Licht -
Das eingeklappte Rad des Pfaus
Deckt lau opake Schicht.

Die Helle kommt heut nicht mehr raus
Und schließt von innen ab.

Am Wall verhallt der Nicht-Applaus
Und rieselt still hinab.

Trinidad & das zweitausendeinundsechzigste Gedicht

In den Gassen der Stadt Trinidad

Memento mori cubano

Wo der Ruhm ab Geburt zum Verfall übergeht,
Ist die Oldtimerpflege ein Hobby aus Not.
Man umfleht manch Ruine, dass sie‘s übersteht,
Nutzt die Spielraumausdehnung zum Dino-Verbot ...

Jede blendende Idee besticht
Der Stachel der Verblendung,
Und jede Sensation macht dicht
Just nach ihrer Vollendung.

Doch hernach wird im Drumherum improvisiert,
Man besänftigt das Ar vor dem Mut,
Mixt sich Hoffnung an, obzwar man offenbar irrt.
Vielleicht geht, vielleicht wird: alles gut.

Alle Rechte bei Wolfgang Ramadan, der das Gedicht im Rahmen der Kubafestival-Spendenaktion von mir gekauft hat.

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